„Wir haben diese Ziele, aber auch mindestens vier andere Clubs”
17. November 2020Endlich Heimspiel: WWU Baskets empfangen Spitzenreiter Düsseldorf
20. November 2020(ts) In neun Jahren hat Philipp Kappenstein mit den WWU Baskets viel erlebt und große Erfolge gefeiert, nachdem zuvor Rückschläge weggesteckt wurden. In der sportlich gegenwärtig herausfordernden Situation ist der erfahrene Headcoach ein Stabilisator und stärkt seiner Mannschaft den Rücken.
Im zweiten Teil des großen WWUBASKETS.MS-Interviews spricht der Headcoach über das Kaderpotenzial, den Entwicklungsprozess über eine Saison und sein Vertrauen in die Mannschaft.
WWUBASKETS.MS: Wir hatten eine gute Vorbereitung, haben drei ProA-Teams geschlagen. In der Saison läuft es noch nicht rund. Warum?
Philipp Kappenstein: „Ich möchte eine Sache klar sagen, ich mag unsere Gruppe extrem. Wir haben gesehen, Vorbereitung ist die eine Sache, in der Saison, das sind eben doch zwei verschiedene Paar Schuhe und ist keine Floskel. Es ist etwas anderes, was die reguläre Saison angeht. Es gibt einfach sehr viele, sehr ambitionierte Teams. Für den Erfolg muss schon vieles zusammenkommen. Man muss sagen, wir haben durchaus noch eine Menge Arbeit vor uns. Wir arbeiten unglaublich gezielt, haben sehr viel analysiert. Wir gehen sicherlich noch intensiver in die Analyse als in den letzten Jahren.”
WWUBASKETS.MS: Was ist das Ergebnis Eurer Analysen? Worum geht es Euch?
Philipp Kappenstein: „Wir haben einen Eindruck bekommen, was unserer Mannschaft möglich ist. Ich sehe unser Team absolut in der Lage, im Saisonverlauf große Schritte zu gehen. Klar hätten wir uns gewünscht, dass wir glücklicher in die Saison starten. Auf der anderen Seite ist es halt auch so: Es geht um Entwicklung. Es geht nicht darum, dass wir jetzt im Oktober, November das beste Team haben, sondern wir setzen eben auch bewusst ein paar Sachen anders um. Nicht um irgendetwas in Kauf zu nehmen, sondern wir zielen auf Entwicklung ab.”
WWUBASKETS.MS: Wohin kann der eingeleitete Entwicklungsprozess gehen?
Philipp Kappenstein: „In den letzten drei, vier Jahren waren wir das jeweils beste Rückrundenteam. Die Mannschaften, die wir jetzt am Saisonbeginn auswärts spielen, müssen auch alle zu uns kommen. Ich sehe in dieser Mannschaft ein enormes Potenzial. Aktuell müssen wir aber ganz klar sagen: Schwachpunkte sind Turnover, da waren wir in Itzehoe schon verbessert, und wir bringen unsere sehr starke große Garde nicht gut genug ins Spiel. Wir haben aber durchaus auch Fortschritte in Sachen offensive Effizienz, wenn wir denn den Ball nicht „wegschmeißen“. Wir können nach wie vor ein defensivstarkes und Rebound Team sein. Und wir haben deutlich an Athletik zugelegt, Qualitätsspieler dazugewonnen.”
WWUBASKETS.MS: Wie läuft die Integration unserer neuen Spieler? Welche Anforderungen hat die Spielweise der WWU Baskets an sie?
Philipp Kappenstein: „Es ist der Erfahrung nach so – ich mache das in Münster jetzt neun Jahre – ,dass alle Spieler, die zu uns im Verlauf der letzten neun Jahre gewechselt sind, ihre Zeit in unserem System brauchen, in unserer Hierarchie und unseren Sachen anzukommen. Es ist ganz selten so gewesen, dass ein Spieler gekommen ist und vom ersten Spiel an explodiert ist. Das gab es bei uns fast nie, auch nicht mit JoJo oder Malcolm. Diese Zeit muss man einfach den neuen Spielern auch geben, in einer schwierigen Situation, die es darum herum ist, sich in der neuen Umgebung einzuleben, im Team ihre Rolle zu finden, zu verstehen, was wir in jeder Sequenz wollen. Wir versuchen einen sehr anspruchsvollen Basketball zu spielen, verlangen den Spielern sehr viel ab, vor allem defensiv. Offensiv haben wir durchaus unser System in diesem Jahr umgestellt, und wie man sieht, haben wir da noch einen Weg zu gehen.”
WWUBASKETS.MS: Das Potenzial einer Mannschaft ist das eine. Warum können unsere Fans an diese Mannschaft glauben?
Philipp Kappenstein: „Was Chad und ich jeden Tag im Training sehen, dass man eine Menge Vertrauen in diesen Prozess haben kann und dass wir enorm viel Upside haben. Wir haben viele ,Waffen’, die hundertprozentig zusammenkommen werden. Dann wird man extrem viel Spaß an dieser Mannschaft haben. Mein Wunsch ist, diesen Spaß irgendwann mit Zuschauern zu haben. Da bin ich mir ganz sicher, wenn die Leute diese Mannschaft in der Halle kennenlernen werden, dann wird der Funke absolut überspringen und vielleicht noch in einem ganz anderen Maße.”
„Wir haben eine Mannschaft mit Zukunft.”
Philipp Kappenstein
WWUBASKETS.MS: Du bist überzeugt, dass der Entwicklungsprozess am Ende erfolgreich sein wird. Warum?
Philipp Kappenstein: „Wir wissen, dass die Identifikation der Mannschaft mit unserem Verein extremst hoch ist. Wir haben alle Leute hier, die lange Zeit hierbleiben wollen. Das ist was ganz Wichtiges, auf die man richtig aufbauen kann. Wir haben eine Mannschaft mit Zukunft, wo man unabhängig von der Ligazugehörigkeit auf einen richtigen Kern bauen kann und die aktuell in einem richtigen Prozess steckt, der durchaus auch beschleunigt werden kann durch Probleme und Gegenwind, auch durch Niederlagen vielleicht sogar eher beschleunigt als verlangsamt wird. Wenn man sieht wie die Mannschaft sich den ‚Hintern’ im Training aufgerissen hat und wie wir spielen, was wir dazugewinnen auch an Qualität in der Umsetzungsfähigkeit, dann freue ich mich richtig auf die nächsten Spiele.”
WWUBASKETS.MS: Und wenn weitere Rückschläge kommen …
Philipp Kappenstein: „Ich bin mir auch sicher, selbst wenn wir noch ein oder zwei Rückschläge erleiden, und die werden wir irgendwann erleiden, egal wann, dass wir daraus gestärkt hervorgehen. Unser Ziel ist ganz klar, wie im letzten Jahr, und daran lassen wir uns eben auch messen, die starken Leistungen Richtung Ende der Saison zu bringen, darauf hinzuarbeiten und dann zu sehen, dass wir uns dann in die bestmögliche Position bringen. Jedes Team bringt uns eine Menge Respekt entgegen. Das sieht man in den Vorberichten und muss man auch mal sehen. Diesen Respekt haben sich die Jungs in den letzten Jahren extremst verdient, hat diese Mannschaft auch verdient. Auch dieses Jahr sind wir wieder eine Mannschaft, gegen die will keiner spielen, weil wir extrem defensivstark sind, sehr physisch sind.”
WWUBASKETS.MS: Wie lange kann die Entwicklung dauern?
Philipp Kappenstein: „Wir haben noch nicht alle Abläufe klar, auch defensiv ist für die Neuen noch nicht alles bei 100%. Das Zusammenspiel von Alt und Neu ist auch noch nicht bei 100%. Das hätten wir aber gebraucht, um zum Beispiel in Bochum zu gewinnen, sonst kann man in diesem Jahr nicht gegen Bochum gewinnen. Itzehoe wird sich ganz sicher am Ende der Saison ganz weit oben einreihen und hat natürlich genau wie wir die Ambitionen in die ProA zu gehen, hat dieses Jahr schon sehr lange überlegt, das zu tun. Sie haben auch einen neuen Hallenbau in Aussicht. Lass uns unseren Weg weitergehen. Wir wären gerne am Ende der Saison die, die am stärksten sind. Das wird wie gesagt ein harter Weg. Es steigt auch nicht nur einer auf, sondern zwei, vielleicht sogar drei. Dann muss man gucken, wie weit man dann kommt.”
WWUBASKETS.MS: Warum glaubst Du, wird das Zusammenspiel des Teams auf unserem Weg immer besser funktionieren?
Philipp Kappenstein: „Die Jungs, die wir dazugeholt haben, bringen uns in ihrem Bereich extrem viel, konnten es uns bisher schon einmal andeuten, aber noch nicht konstant. Das Zusammenspiel wird sich finden, muss sich finden. Wir stehen extrem viel in der Halle, nehmen uns extrem viel vor. Wenn man mal die Höhe der Niederlagen in den letzten Jahren anguckt, war Bochum mit dreizehn Punkten schon die zweithöchste. Und wir waren im letzten Viertel auf vier Punkte dran, trotz 15 Turnover mehr. Schwarze Tage, auch individuell, gibt es, wo solche Spiele weggehen, auf anderer Ebene. Wir werden aber in jedem Spiel unsere Chance haben.”
WWUBASKETS.MS: Wir haben einige junge Spieler mit spannenden Potenzialen, Adam Touray kam erst spät hinzu. Birgt das nicht auch Gefahren?
Philipp Kappenstein: „Wir haben den Aufbau bewusst in die Hände von jungen Aufbauspielern gegeben. Dann müssen auch einmal die Veterans wie Marck und andere die Verantwortung übernehmen. Wir sind mitten in einem Prozess, das muss man klar sagen, auch nach der Verpflichtung von Adam, eine Teamhierarchie zu bilden. Die ist noch nicht 100% gebildet. Klare Rotationen zu finden, welche Kombinationen passen am besten zusammen usw. Ich bin da total guten Mutes, dass wir das gut zusammenbekommen werden. Es kann halt sein, dass wir noch ein bisschen Zeit brauchen. Und wenn es so ist, dann ist es so. Wir haben volles Vertrauen in die Mannschaft.”