Trainer-Legende Philipp Kappenstein übergibt ‒ Doppelfunktion für Björn Harmsen
15. Juli 2021Nachwuchs-Trio verlässt WWU Baskets
20. Juli 2021(ts) 34 Jahre lang hat Philipp Kappenstein (42) ununterbrochen Basketball mit Leidenschaft und Herzblut gelebt, 13 Jahre als Headcoach, davon neun Jahre als Headcoach der WWU Baskets. Mit dem Flagschiff seines Heimatclubs UBC Münster gewann er fünf Titel. Ein Sympathieträger und Aushängeschild des Clubs, wie nicht nur die zahlreichen persönlichen Wertschätzungen und Würdigungen seines „Lebenswerks“ in verschiedenen Social-Media-Kanälen nach seinem Abschied zeigen.
Zunächst möchte Philipp Kappenstein Pause machen, dann weiter seinem Stammclub in anderer Rolle erhalten bleiben. Im Gespräch mit WWUBASKETS.MS spricht er über seinen vorläufigen Abschied als Trainer, die entstandene Identität des Münster-Basketballs, Verbindung mit den Fans und Persönliches.
Philipp Kappenstein über …
… die sportliche Bilanz in neun Jahren Headcoach
„Es war eine unglaubliche Zeit. Es waren über 270 Meisterschafts- oder Pokalspiele mit über 200 Siegen. Ich glaube, die Quote spricht für sich. Die tabellarische Reihenfolgen seit 2012 Fünfter, Vierter, Zweiter, Zweiter, Zweiter, Erster, Erster, Dritter, Dritter. Ich würde sagen, dass diese Tabellenstände wirklich auch dafür sprechen, was für eine erfolgreiche Zeit wir gemeinsam hatten mit insgesamt fünf Titeln, zwei Meisterschaften in der Regionalliga und ProB Nord, drei Pokalsiegen, vier Vizemeisterschaften, drei persönlichen Titeln, zweimal Trainer des Jahres in der Regionalliga, einmal in der ProB.“
… Freundschaften und Teamchemie
„Es war eine unglaublich erfolgreiche, beeindruckende Zeit. Aber neben den sportlichen Erfolgen, was für mich noch viel, viel mehr hängenbleibt, viel Wichtigeres ist, das sind die vielen neuen Freundschaften und Bekanntschaften nicht nur von meiner Seite, sondern auch die sich unter den Spielern in den Jahren gebildet hatten. Wir hatten hier einen Kern, der über Jahre zusammengeblieben ist, auch außerhalb des Feldes beste Freunde geworden ist. Auch die hier schon ein paar Jahre weg sind. Das ist was total Spezielles gewesen, das zu begleiten, mitzuerleben.“
… seine spezielle Bindung zu Fans und Unterstützern
„Natürlich, diese Entwicklung, die wir in den letzten Jahren hatten ‒ von 150 zu 3.000 Zuschauern ‒ zehnmal in Folge ausverkauft im Jahr 2019, war unglaublich. Für mich ist eigentlich das Wehmütigste, das ich eine spezielle Bindung zu allen Fans und Zuschauern, Unterstützern habe und hatte, die sicherlich nicht abbrechen wird, was natürlich fehlen wird irgendwo. Weil dass das eigentlich ist, wofür ich es gemacht habe, was es besonders ausgemacht hat, den Basketball in Münster nach vorne zu bringen. Das so mitzuerleben in führender Position war für mich unglaublich. Da freue ich mich darauf, da einfach auch mal zurückblicken zu können.“
… das erste Lebenszeichen seiner Amtszeit
„Das erste Lebenszeichen des Münsteraner Basketballs in meinem ersten Jahr war unser Pokalsieg 2013 mit 100 David-Hicks-Punkten in zwei Finalspielen gegen Sechtem. Zum ersten Mal hatten wir eine wirklich volle Halle. Man konnte sehen: Oh, Münster interessiert sich für Basketball, nach auch einer sehr guten Rückrunde damals!“
… das erste Ausrufezeichen
„Zwei Jahre später 2015 der Sieg gegen Köln in eigener Halle, der uns damals die Tabellenführung gebracht hat vor erstmals ausverkaufter Uni-Halle mit unglaublicher Atmosphäre auf höchstem basketballerischen Niveau. Ein absolutes Ausrufezeichen!“
… unvergessene Aufstiegsmomente
„Nächster großer Moment war das unglaubliche, unvergessene Endspiel in Grevenbroich beim direkten Aufstiegskonkurrenten mit 300 drei Stunden lang stehenden Münsteraner Auswärtsfans, die uns nach vorne gepeitscht haben. Dort haben wir in einer extremen Drucksituation vielleicht unser bestes Spiel abgeliefert, mussten gewinnen. Genauso wie paar Wochen später der Aufstiegsmoment gegen Bonn. Die Freude, die Ekstase danach einfach.“
… die Besonderheit eines Basketball-Hypes
„Weitere Wendepunkte für mich waren einfach in der ProB in der Halle Berg Fidel im Januar 2019 der Buzzer-Beater-Sieg gegen Iserlohn mit dem Buzzer Beater von JoJo Cooper, der eine unfassbare Dynamik losgetreten hat. Bis zum Ende des Jahres waren wir ausverkauft, haben einfach nicht mehr verloren, sind Meister der ProB Nord gewesen, haben in den Playoffs den sportlichen Aufstieg in die ProA geschafft und das als Aufsteiger und Underdog. So einen Basketball-Hype, so eine Erfahrung kann man nicht hoch genug bewerten. Das passiert nur den Wenigsten und wir konnten das eben genießen.“
… das perfekte Spiel
„Aber genauso gab es für mich auch im letzten Jahr das fast perfekte Spiel. Wie in Coburg, gegen Köln, gegen Düsseldorf, in Wedel, die basketballerisch, auch wenn sie wenige Leute gesehen haben, nahe an dem waren, was man sich als Trainer unter dem perfekten Spiel vorstellt.“
… schmerzhafte Niederlagen
„Dazu gehören natürlich auch ein paar Niederlagen wie der ein oder andere Spielverlust in letzter Sekunde, wie das knappe Scheitern am Aufstieg damals oder auch jetzt das letzte Spiel gegen Bochum. Aber das macht Basketball eben so emotional, so toll. Für mich überwiegt natürlich das Gute bei weitem. Auch Niederlagen haben einfach den Nährboden gegeben, den Willen, weiter zu entwickeln und die Erfolge überhaupt erreichen zu können.“
… persönliche Beziehungen und Identität
„Worauf ich besonders stolz bin sind die persönlichen Beziehungen, die Erfolge, aber auch, dass wir ein klare Identität gebildet haben, den Kern in der Mannschaft sehr lange hatten. Jedes Team wusste, wenn wir Münster spielen, oh, oh, das kommt auf uns zu, eine extrem physisch, aggressiv verteidigende Mannschaft, die offensiv einen bestimmten Stil spielt. Und der war sehr erfolgreich. Darauf kann man sehr, sehr stolz sein einfach.“
… Münster-Basketball und Gewinnermentalität
„Münster-Basketball ist eine echte Trademark geworden. Das geht eben nur mit Kontinuität und Identität. Und die hatten wir die ganze Zeit. Das macht es besonders. Vor allem war mir immer wichtig, schon in meiner ersten Ansprache damals in Münster vor neun Jahren Thema war: Wir wollten Gewinner werden. Und das sind wir definitiv geworden. Das macht mich auch besonders stolz.“
… sein Trainerteam
Danke würde ich auch gerne sagen meinem Trainerteam der letzten Jahre, sprich Christoph, Atilla, Baris und auch Chad, die echte Freunde für mich geworden sind, oder auch schon waren vorher. Mit ihnen habe ich wirklich tolle Teams gebildet.
… seine Spieler
Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, allen meinen Spielern, die meine Hütchen, Koordinationsleitern, Ansprachen, Sprüche ertragen haben und auch umgesetzt haben, das, was ich von ihnen wollte, zu jeder Phase, in jeder Saison, unglaublich, die oft overperformed haben über ihr Limit hinaus.
… das Umfeld und Weggefährten
Danke möchte ich natürlich auch allen im Umfeld sagen. Denen viel zu selten gedankt wird ist das Team ums Team, sind es die Aufbauhelfer in der Halle, die Presse, das Ärzteteam, das Cateringteam, alle, die mit dem UBC zu tun hatten in den letzten Jahren, genauso wie Mareike Fink, Gunda Klöpping, Christoph Schneider, die mich überhaupt erst nach Münster geholt haben. Helge für lange, vertrauensvolle Zusammenarbeit, die nicht erfolgreicher, effektiver hätte sein können. Und natürlich meinen Eltern, meiner Familie, die immer mich auch mit schlechter Laune ertragen haben und immer unterstützt haben und mit denen es besonders schön war, eben Siege zu feiern.
… seine Gefühle zum Abschied
Ich kann wirklich, glaube ich, stolz gehen und ich kann wirklich sagen, dass ich alles was ich hatte, auf dem Platz beziehungsweise an der Seitenlinie gelassen hab was Energie, Emotionen und Power angeht. Es ist jetzt einfach an der Zeit, nach dem Ganzen was man erreicht hat, durchzuatmen, auch mal sich die Chance zu nehmen, zu reflektieren, was als Trainer nie möglich war.“